Das Recht auf den Wochenmarkt ist seit altersher ein Teil der städtischen Privilegien. Ob im großen oder im kleinen Maßstab: Jede Stadt, ob groß oder klein, war und ist ein Ort des Handels und der Produktion. Eine Stadt ohne eigenen Markt ist keine richtige Stadt – vielleicht juristisch, wirtschaftlich aber auf keinen Fall.
Mit der Besiegelung des Stadtrechtsprivilegs verlieh König Albrecht am 2. Februar 1303 der kleinen Kommune an der Kinzig einen wöchentlichen Markt:
"Adicientes ex superhabundancia gracie speciialis, quod in opido memorato Honowe videlicet exnunc et inantea forum septimanale ad usum mercacionis cuiuslibet singulis quartis feriis observetur"
Heißt übersetzt: Wir fügen aus zusätzlicher besonderer Gnade hinzu, dass in dem genannten Ort Hanau von jetzt an und in Zukunft ein Wochenmarkt zum Nutzen jeder Art von Handel jeweils am Mittwoch abgehalten wird.
Markttag war also der Mittwoch. Noch bis in das 19. Jahrhundert hinein lag der Wochenmarkt der Altstadt auf dem Freitag. Wann und warum der Mittwochstermin verlegt wurde, das wissen wir nicht. Es muss spätestens um die Mitte des 15. Jahrhunderts geschehen sein.
Die Altstadt Hanau hatte also seit ihrer Gründung 1303 einen wöchentlichen Markttag. Der 1597 gegründeten Neustadt Hanau hatte Graf Philipp Ludwig II. zwei Wochenmärkte zugestanden:
"So soll auch ... die anordnung undt versehung geschehen, das wochendtlich zwey offentliche marktäge, uff welchen, soviel müglich, alle notdürftige victualien mögen gebracht und zu feylem kauff gegeben, angesteldt undt geholten werden."
Ein Neustädter Markttag war vielleicht von Anfang an, bestimmt aber ab Mai 1605 der Dienstag. Über den zweiten Termin gab es lange Verhandlungen und massive Beschwerden der Neuhanauer, die endlich ihren zweiten Markt eingerichtet wissen wollten. Erst am 27. Mai 1616 genehmigten Landesherrin Catharina Belgica und ihre Räte den Samstag als zweiten Neustädter Markttag.
Warum war es gerade der Samstag? Ohne es belegen zu können, wollen wir als Vermutung äußern, dass dieser Termin wegen der Juden gewählt wurde. Während der Frankfurter Fettmilchunruhen des Jahres 1614 hatten viele Frankfurter Juden ihre Zuflucht in Hanau gefunden. Nach einer amtlichen Zählung am 4. Oktober 1614 waren zu den 49 Hanauer Haushalten (212 Personen) noch zusätzlich 50 Familien (209 Personen) aus Frankfurt gekommen. Die Judengasse war übervölkert. Sie alle besuchten die Hanauer Wochenmärkte, waren dort aber nicht sonderlich gern gesehen. Deshalb versuchte sowohl die Alt- als auch die Neustadt, mit Hilfe einer besonderen Judenfahne die Zeit, die den Juden zum Marktbesuch zur Verfügung stand, einzuschränken. Erst wenn die rote Fahne mit dem gelben Ring, dem traditionellen Erkennungszeichen der Juden, aufgezogen war, durften Juden den Markt besuchen. Wir vermuten, dass die Räte der Neustadt auch deshalb den Samstag (den jüdischen Sabbat!) als Markttag ausgewählt hatten, weil an diesem Tag bestimmt keine Juden auf den Markt gingen. Da war man unter sich...
Den Räten der Altstadt jedoch passte dieser Samstagsmarkt der Neustadt überhaupt nicht. Es war die unliebsame Konkurrenz durch Neuhanau! Manche Händler oder Landleute als Verkäufer und Käufer würden es sich gut überlegen, ob sie freitags in die enge Altstadt gingen, wenn schon am folgenden Tag ein Markt in der weiträumigen und reicheren Neustadt war. Und wenn der Samstagsmarkt wegen eines Feiertags auf den Freitag vorverlegt wurde, war die unmittelbare und übermächtige Konkurrenz da. Folglich protestierte der Althanauer Rat massiv gegen diesen Beschluss und gab mit seinen Beschwerden keine Ruhe. Der Sambstags Marck muß abgeschafft werden, sonsten der Altstat Fritags Marck ruinirt, heißt es in einer Beschwerdeliste der Altstadt aus dem 17. Jahrhundert. Mehrere Vergleiche zwischen Alt- und Neustadt ließen schließlich die heutigen Markttage Mittwoch und Samstag entstehen.
Neben den Viktualienmärkten, den Wochenmärkten für Obst und Gemüse existierte in der Neustadt Hanau ein Weihnachtsmarkt, erstmals urkundlich belegt für den 24. Dezember 1641. Auch gab es einen Neujahrsmarkt jeweils am 31. Dezember. Diese Märkte waren Eintagesmärkte.
Sowohl die gräflichen Räte als auch die Neuhanauer Ratsherren machten wiederholt den Vorschlag, am letzten Werktag vor dem Fest, das war meist der 24. Dezember, könne doch jede Stadt in ihren Mauern einen Markt speziell für Weihnachtsgeschenke (und Neujahrsgeschenke) eröffnen. Die Altstadt ließ sich darauf nie ein, was zeigt, dass sie eine solche Tradition nicht hatte und auch nicht neu begründen wollte.
Was wurde auf dem Neuhanuer Weihnachtsmarkt angeboten? Das Regierungsprotokoll nennt die Veranstaltung im Jahr 1641 einen Poppen und Christkindtleinsmarkt. Anfang 1658 stellte der Neuhanauer Stadtrat fest, auf den beiden Eintagesmärkten am Jahresende werde Christ- und Newen Jahres Geschänkh und Gezeug verkauft. Der Weihnachtsmarkt war demnach eigentlich eine Verkaufsveranstaltung speziell für Puppen, Puppensachen, diverses Spielzeug und Weihnachtsgeschenke.
1641 begegnet der Begriff Christkindleinsmarkt also zum erstenmal in Hanauer Verhandlungsprotokollen. Da die Verhandlungsparteien sich auf Ereignisse und Beschlüsse des Vorjahres bezogen, muss es diesen Weihnachtsmarkt auch schon 1640 gegeben haben. Schriftlich bezeugt ist er mit diesem Namen für dieses Jahr jedoch nicht. Das Regierungsprotokoll 1641 zitiert den alten Latre (gemeint war Daniel de Latre, Rathsherr in Neuhanau 1612-1637) mit der Bemerkung, daß je undt alleweg die n Newstädter vor dem Christag einen Marck gehalten. Demnach gab es in Neuhanau von Anfang an (seit 1597!) am Vortrag des Festes einen Weihnachtsmarkt. Man nannte ihn Christkindleinsmarkt, Christmarkt oder Christtagsmarkt.
Der in unserer Zeit weitaus bekannteste Weihnachtsmarkt in Deutschland, der Nürnberger Christkindleinsmarkt, wird auf eine uralte Tradition zurückgeführt, das erste eindeutig belegte Datum ist das Jahr 1628. Dem können wir in Hanau das ebenso eindeutig nachgewiesene Jahr 1641 entgegenstellen, ebenfalls mit dem Hinweis, dass die Hanauer Tradition einige Jahrzehnte weiter zurückreicht.
Auszüge aus:
Dr. Eckhard Meise, Der Christkindleinsmarkt der Hanauer Neustadt im 17. Jahrhundert, in Neues Magazin für Hanauische Geschichte. Hanau 2004.
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